Kreativer Phoenix

Wann immer ich auf meiner Reise durch Neuseeland anderen Leute, egal ob Kiwi oder Ausländer, erzählt habe, dass ich nach Christchurch fahren möchte, war die Reaktion dieselbe: „Ach, da gibt es doch nichts zu sehen“, „Zwei Stunden sind mehr als genug“, „Eine reizlose Stadt, viel zu groß“. Ich habe tatsächlich niemanden getroffen, der eine Lanze für die größte Stadt auf der Südinsel brechen wollte, deren Zentrum vor dreieinhalb Jahren durch ein Erdbeben fast vollständig zerstört wurde.

Aber manchmal ist es ja so: Ohne Erwartungen gibt es die größten Überraschungen. Klar, Christchurch ist kaputt, zerstört und es gibt keine wirklichen Sehenswürdigkeiten mehr. Aber dafür bietet die Stadt ein Flair, dass vollkommen ungewöhnlich ist. Das Motto der Aufbauarbeiten heißt „Rebuilding the Future“ und das trifft es ziemlich genau. Der Innenstadtbereich wird wieder aufgebaut und auch wenn vieles reproduziert wird, entstehen daneben vollkommen neue Dinge. Die Stadt hat nicht vor zu vergessen, was passiert ist. Überall zwischen den Baustellen finden sich Erinnerungsstücke und Gedenkstätten, die allerdings eher zum aktiven Erleben als zum stillen Bestaunen einladen. Die Menschen hier ehren das Gedenken an jene, die bei dem Unglück ums Leben kamen und trotzdem schaffen sie es, die Atmosphäre in Christchurch quicklebendig zu kreieren. An dem Platz, wo früher ein großes Einkaufszentrum stand, befindet sich heute die Re:Start Mall. Eine Ansammlung von Containern, in denen kreative Kunst- und Klamottengeschäfte ihren Platz finden, gepaart mit Cafés, Delikatessenläden und einer Dekoration aus Girlanden mit dem bunten Imageflyer von Christchurch. Hier ist es alternativ, aber auf die denkbar entspannteste Art und Weise. Es ist fröhlich, aber nicht übertrieben. Es ähnelt nichts, was ich bisher gesehen habe und vermittelt ein Gefühl, das zumindest mich zum Bleiben anstachelt.
Vor Ort teilt meine Ansichten beileibe nicht jeder. Im Hostel spreche ich mit R., einem Reisenden aus Deutschland (wohlgemerkt, er schläft zwar ganz alternativ im Van, läuft aber nur mit teuren Designerklamotten herum, Segelschuhe eingeschlossen). „Pff, bei uns hätte man die Stadt längst wieder aufgebaut. Das Beben ist schließlich Jahre her.“ Mal abgesehen davon, dass ich das bezweifele: Wäre das überhaupt die richtige Strategie? Das Beben hat der Stadt ihre Seele genommen und das durch den reinen Überbau der Ruinen zu ignorieren, würde nicht in dieses Land passen. Die nackten, kahlen Korpusse liefern eine eindrucksvolle Definition des Begriffs NaturGewalt und zeigen, wie fragil die Sicherheit sein kann, in der wir uns wiegen.

Ich habe noch nie ein Erdbeben erlebt und kann mir nicht vorstellen, wie die ganze Erde an einer einzigen Stelle so beben kann, dass alles auseinander fällt. Wahrscheinlich konnten das die meisten Einwohner von Christchurch bis zum 22.02.2011 ebenfalls nicht. Aber sie haben eine bewundernswerte Art und Weise gefunden, mit den Folgen der Katastrophe umzugehen.

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Everybody’s Darling

Einmal rund um die Welt, zwölf Stunden vor deutscher Zeit, eine andere Sprache, eine andere Ursprungskultur. Neuseeland…Land der deutschen Backpackerträume, Land der Berge, Regenwälder, Gletscher und Meer. Was hat das kleine Land im Pazifik an sich, dass der gemeine Deutsche sich hier so wohlzufühlen scheint? In kaum einem anderen Land, vor allem nicht in dieser Entfernung, hört man so häufig Deutsch in jeder noch so versteckten Ecke. Sie reisen nicht nur, viele von ihnen haben sich niedergelassen und betreiben Hostels und Restaurants oder haben ihre große Kiwi-Liebe gefunden.
Gut, bei einigen merkt man auch noch nach siebzehn Jahren Aufenthalt eine gewisse deutsche Mentalität. Im schönsten Sonnenuntergang kommt unser deutscher Hostelbetreiber schnaufend die Treppe hochgestapft. „Ich habe neue Gäste, die in euer Zimmer kommen. Aber die können ja keinen Fuß hinein setzen, überall liegt euer Zeug rum.“ Wir gucken ihn verblüfft an, haben wir doch nur ein paar Hosen zum Trocknen aufgehängt. Sollten die sich vermehrt und von selbst verteilt haben? Hinter ihm kommen die besagten Gäste peinlich berührt hinterher geeilt. Sie stören sich nicht an den Sachen, sondern möchten wissen, auf welchen Betten wir schlafen wollen. A. erhebt sich dienstbeflissen, um zur Hilfe zu eilen. Hostelkönig Lutz (kann ein Name deutscher sein?) ist das nicht genug, er möchte seinen Standpunkt nochmal ausdrücklich klarmachen. „Die haben schließlich bezahlt, die möchten auch ein Bett.“ Jaha, wir haben es ja verstanden…
Aber von solchen Sonderfällen einmal abgesehen scheinen die Deutschen die neuseeländische Mentalität sehr schnell und gründlich zu antizipieren. Manch einem fällt die entspannte Lebensweise freilich etwas zu leicht. Wir machen die Bekanntschaft mit F., der für ein Jahr mit einem Work&Travel Visum durchs Land reist. „Ach ja, ich habe die ersten zwei Monate Früchte gepflückt, aber das war mir dann zu anstrengend. Überhaupt ist Arbeiten irgendwie nicht das Richtige für mich, ich bin davon einfach gestresst.“ Jetzt schlunzt er sich von Herberge zu Herberge und erstaunt mit langen Filmsessions an den herrlichsten Sonnentagen.
Aber Neuseeland scheint irgendwie der richtige Platz für jeden einzelnen zu sein, egal ob Deutsch oder irgendeine andere Nationalität. Ruhesuchende, Abenteuersüchtige, Wanderer, Reiter, Schwimmer, Surfer, Chiller: Sie alle werden mit stoischer Gelassenheit betrachtet und mit passenden Angeboten versorgt. Es vermittelt ein Gefühl von Freiheit und Akzeptanz und das ohne die teilweise aufgesetzt wirkende anglo-amerikanische Freundlichkeit, die die Nordlichter unter uns oft verunsichert. Der gemeine Neuseeländer kann durchaus auch mal einen raueren Tonfall anschlagen, wenn er sich im Gespräch gestört fühlt, Kunde hin oder her.
Vielleicht hängt alles eng mit der Natur zusammen. Hier findet sich auf kleinstem Raum Landschaften, die in anderen Ländern mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt sind und die viel zitierten „Vier Jahreszeiten an einem Tag“ sind nicht übertrieben. Wenn man sich hier ohnehin permanent auf alles einstellen muss, dann fallen die Holländer, Iren, Chinesen und Deutschen mit ihrem Mangel an Wissen zum Linksverkehr, den Fotoposen in der Gletscherspalte, den Skydives aus fünf Kilometern Höhe und dem ein oder anderen Saufgelage nicht weiter ins Gewicht. Wer ohne mit der Wimper zu zucken dicke Daunenjacken mit FlipFlops kombiniert, der ist einfach nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen.

Wenn nichts mehr stimmt…

…muss manchmal alles geändert werden. S. war in ihrem Leben bisher so einiges: große Schwester, verantwortungsbewusste Tochter, Mathelehrerin, Freundin eines Sportstudenten und, und, und. Ein ganz normales Leben einer 30-jährigen Deutschen. Bis sie eines Tages keine Lust mehr hat, das alles zu sein. Bis sie merkt, dass es sie nicht glücklich macht. Dass das Schulsystem sie auffrisst, dass das Sorgen für ihre ganze Familie sie unendlich müde macht und dass die Männer bisher eigentlich immer die Falschen waren. Also bricht sie aus, in einem Alter, in dem die meisten ihrer Freundinnen von Hochzeit, Kindern und festen Arbeitsverträgen sprechen. Sie geht nach Neuseeland, arbeitet drei Monate lang auf Schaffarmen und stellt fest, dass sie vor allem eins sein möchte: Schäferin. Aber einen solchen Traum zu verwirklichen erfordert mehr, als sie sich zutraut. Sie beschließt, die hartnäckige Stimme in ihrem Kopf, die sie zum Bleiben überreden will, zu ignorieren und nimmt das Flugzeug zurück nach Deutschland. Dort vermisst sie das Land, die Arbeit und vor allem die Tiere. Sie beginnt, Reitstunden zu nehmen, um wenigstens etwas gegen die immer größer werdende Sehnsucht zu tun. Irgendwann liegt die Zusage für den Job im Briefkasten, für den sie sich vor ihrer Reise beworben hat. Doch statt Freude empfindet sie nur Traurigkeit und dann ist die Entscheidung plötzlich ganz klar. Wenige Tage später sitzt sie im Flugzeug, die Wohnung ist gekündigt, alle Möbel verpackt und untergestellt.
Jetzt ist sie wieder in Neuseeland und auch wenn ihre Zukunft plötzlich unsicher ist, bereut sie ihre Entscheidung keine Sekunde. Ob sie wirklich Schäferin wird, ob sie ihren Traummann im Land der Kiwis findet und ob sie für immer hier bleiben wird? „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich hatte in meinem Leben immer einen Plan. Nicht genau zu wissen, wo es hingeht, fällt mir nicht leicht. Aber ich bin hier so glücklich wie noch nie und darüber freue ich mich jeden Tag.“

Hoch zu Ross in Mittelerde

Ich beuge mich tief über den Pferdehals und Tränen laufen mir über die Wangen, weil der kalte Wind mir ins Gesicht pfeift. Ich bin auf einer Mission, ich spüre es genau! Irgendwas mit einem Ring und kleinen Hobbits, die ich retten muss. Ich bin euphorisch, mein Pferd ist es nicht. Gerade als ich mir einbilde, dass meine Haare dunkel und fettig und mein Name in Wahrheit Aragorn ist, buckelt es zweimal heftig und bringt mich so auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich verliere den Halt und beide Steigbügel, hänge sehr unelegant im Sattel und muss meine beiden Gefährten, die jetzt auch wieder viel mehr wie Iona und Hanna und nicht mehr wie Gimli und Legolas aussehen, mit hysterischen Stop-Rufen anhalten. Naja, gut, jetzt ist es vorbei, das wäre Aragorn mit Sicherheit nie passiert.

Wirklich schlimm ist das allerdings nicht, denn im Schritt lässt sich die Landschaft ohnehin mehr genießen. Vom winzigen Städtchen Glenorchy aus, das rund 45 Minuten oberhalb des neuseeländischen Abenteuermekkas Queenstown liegt, sind wir hoch zu Ross in Richtung Mittelerde gestartet.
So heißt die Landschaft natürlich nicht wirklich, aber nach fast zwanzig Jahren als Drehort für alle Herr der Ringe- und Hobbit-Teile lassen sich Realität und Fiktion nicht mehr ganz klar voneinander trennen. Die Umgebung wirkt merkwürdig vertraut, so oft hat man sie schon gesehen, die rostig rot und grün gefärbten Berge, die im Licht der Sonne plötzlich ocker- und senffarben wirken. Die meisten Gipfel sind schneebedeckt und immer wieder von den dichten Wolken eingehüllt, die Regisseur Peter Jackson bewogen haben, sie zu Tolkiens‘ Misty Mountains zu machen. Am Fuße der Berge wechseln sich breite, von Gletschern geformte Flussbetten mit dichten, uralten Wäldern ab. Alles wirkt wie auf einer perfekten Postkarte und auch wenn im Film viele Landschaften am Computer verändert hat, für die Natur an sich brauchte es sicher keinen Photoshop.
Die ersten drei Stunden am Tag folgen wir den Spuren von Sarumans Armee, danach bestaunen wir die Kampfplätze der drei Ringe-Filme. Die Guides der Dart Stables, die die themenbezogenen Ausritte anbieten, können dabei mit einigen lustigen Fakten aufwarten. So waren die Orks, die im ersten Teil der Trilogie in der Sterbeszene von Boromir den Berg runterrennen, keine Schauspieler, sondern zehn Rugbyspieler aus Queenstown. Jackson steckte sie in dicke Kostüme und befahl ihnen, den Berg so schnell wie möglich runter zu rennen. Da die meisten von ihnen schon nach kürzester Zeit hinfielen und sich dabei die ein oder andere Verletzung zuzogen, ist die Szene im Film aus lauter kleinen Einzelteilen zusammengeschnitten.
Wirklich beeindruckt hat die neuseeländischen Pferdemädchen allerdings nur einer: Viggo Mortensen ist hier auch Jahre nachdem der letzte Herr der Ringe-Film abgedreht wurde noch in aller Munde. Die Szene, in der Aragorn von seinem Pferd Brego gerettet wird, wäre beinahe nicht gedreht worden. Denn bei den ersten Proben mit dem Dummy setzte sich das Pferd einfach auf die Puppe drauf und schien sich nicht mehr vom Fleck bewegen zu wollen. Als Jackson den Dreh daraufhin abbrechen wollte, legte sich der für seine Pferdeliebe bekannte Schauspieler drei Nächte lang in die Bregos Box und so konnte die Szene am Ende doch noch geshootet werden. So viel Hingabe für die Vierbeiner ist in Neuseeland ein Liebesgarant.

Warum seid ihr so fröhlich? So fröhlich, so fröhlich…

Tiefblauer Himmel – lange, weiße Sandstrände – gemütliches Treiben in den blitzsauberen Straßen – unangestrengte, durchtrainierte Menschen, die in fünfzig Prozent der Fälle ein Surfboard unter dem Arm tragen – dicke Bulldoggen und kleine Kläffer, die über die Wiesen überhalb der Strandpromenade flitzen: Bondi Beach, der bekannte Stadtstrand der Millionenmetropole Sydney wird seinem Ruf als hippes Hippieparadies mehr als gerecht.Hier ist alles eine Spur cooler, lässiger und schöner als an den meisten anderen Orten dieser Welt. Teure und gute, aber natürlich völlig bodenständige Restaurants und Cafés säumen die kleinen Straßen, in denen kein Gebäude höher als zwei Stockwerke ist. Die schroffen Klippen, an denen sich die Wellen brechen, rahmen die Bucht ein, in der sich schon morgens um sechs die ersten Surfer in den eiskalten Pazifik wagen. Viele verlassen das salzige Nass erst, wenn die Sonne wieder unter geht.

Ob im Wasser oder nicht, generell scheinen die Menschen vor allem eins zu sein: Gutaussehend und freundlich. Die australische Herzlichkeit tritt hier noch stärker hervor als ohnehin schon und es erstaunt mich und meine deutsch-geprägte Kultur enorm. In jedem Geschäft und Restaurant wird man freundlich begrüßt und nach dem Wohlbefinden gefragt. In einem Schuhladen mit Meerblick lehnt sich die Verkäuferin gut gelaunt über den Tresen und fragt mich, wie mein Tag war. Ich bin so baff, dass ich nur wirre Laute von mir gebe. Das Sicherheitspersonal vor den Läden und Bushaltestellen lächelt! Meine Fantasie reicht nicht aus, um mir das bei den Angestellten von Protex vorzustellen. Wer aus dem Bus aussteigt, ruft fröhlich „Danke schön“ und der Busfahrer winkt noch ein bisschen enthusiastisch hinterher. Reichen ein bisschen Sonne, Strand und Meer aus, um so gute Laune zu verbreiten? Oder haben die Australier einfach sehr viel besser als die Europäer verstanden, dass ein gewisses Maß an Freundlichkeit das Leben einfach schöner macht? Mir ist schon klar, dass hier nicht alle immer gut gelaunt sind und sich nicht jeder, der danach fragt, auch wirklich dafür interessiert wie es mir geht. Aber es gibt mir dennoch das Gefühl, willkommen zu sein, außerdem ist Freundlichkeit ansteckend. Noch ein Beispiel: Ich stoße einer Frau versehentlich meinen Schirm recht schwungvoll in die Seite. Was macht sie? Lächelt mich an. Wenn ich jetzt überlege, wie die Situation in Deutschland ausgegangen wäre, gibt es tendenziell drei Möglichkeiten. Erstens, sie sieht mich nur stocksauer an. Zweitens, sie faucht mir ein „Gehts noch??“ ins Gesicht. Und drittens, und das wäre in Berlin höchstwahrscheinlich passiert, sie schubst mich einmal kräftig.

Bevor ich aber zu der Überzeugung gelangt bin, dass die Australier und insbesondere die Einwohner von Bondi nahezu perfekte Menschen sind, habe ich den Bus am Montag morgen um acht Uhr genommen. Und ich war tatsächlich ein bisschen erleichtert: Denn da sahen die Menschen genauso missmutig und müde aus, wie überall auf der Welt am ersten Arbeitstag nach dem Wochenende. Und dem Busfahrer hat zu dem Zeitpunkt auch niemand mehr gedankt…

Kauft, kauft, kauft!

Bangkok. Der Name dieser Stadt wird immer wieder pseudopoetisch als Stadt der Engel bezeichnet. Für mich persönlich trifft Stadt des Konsums die Verhältnisse vor Ort besser. Hier wird überall verkauft und gekauft: Im Zentrum in den riesigen Shoppingmalls, auf den Straßen an unzähligen Ständen und im Rotlichtbezirk…naja, da eigentlich überall. Die Thais kaufen gerne, weil sie es können. Anders als in Kambodscha oder Vietnam sind insbesondere die Einwohner der Hauptstadt finanziell besser aufgestellt und das genießen sie in vollen Zügen. Neben dieser Lust am Kaufen gibt es noch andere Dinge, die mir an der Stadt und ihren Bewohnern aufgefallen sind. Hier ein paar Beispiele:

– Die Taxifahrer kennen ihre eigene Stadt nicht wirklich und sind teilweise schon bei Zielen direkt um die Ecke komplett überfordert

– Beim Fahren mit dem Skytrain drängt sich folgender Eindruck auf: Die Einwohner dieser Stadt sind in der großen Mehrheit extrem gepflegt, sehr modebewusst und jünger als 35

– Überall läuft Werbung, an den Hauswänden, in den öffentlichen Verkehrsmitteln und an den Haltestellen
Neben ihrer Landesküche essen die Thais am allerliebsten Japanisch

– Thailand synchronisiert Filme zum Teil selbst. Es wird dabei nicht allzu sehr darauf geachtet, dass die Stimmen zum Original passen; 50Cent klingt wie Barbie

– Bangkoks innerstes Zentrum besteht aus ineinander übergehende Shoppingzentren. Dort spielt sich alles ab: Die Schüler treffen sich zum Nachhilfeunterricht, Familien gehen abends essen, auf den Vorplätzen spielen Bands und Pärchen treffen sich zum Date fürs Kino oder in einem der unzähligen Cafés

– Die von vielen Backpackern hochgelobte Khao San Road hat mit dem restlichen Bangkok wenig gemein. Wer besoffene und zugedröhnte Touristen, billige Ramschklamotten, aufgespießte und gegrillte Miniskorpione sowie jede Menge junge Thaidamen mit einem älteren Westler am Arm sehen möchte, ist hier allerdings richtig.

– Es fahren hier unfassbar viele Autos. Ein Australier, der vor einigen Jahren hier gelebt hat, erzählt, dass es durch den Skytrain und die Metro besser geworden ist. Dennoch kann es in der Rush Hour passieren, dass man für drei Kilometer Strecke rund zwei Stunden Zeit einplanen muss.

– Der durchschnittliche Thai spricht schlechter Englisch als der durchschnittliche Kambodschaner. Allerdings besser als der durchschnittliche Vietnamese.

Regentropfen, die an mein Fenster klopfen

Thailands Inseln: Das ist auf Fotos auf ein paar bestimmte Motive festgetackert. Strand, Palmen, hellblaues Wasser, Felsen, Longtailboote. Und natürlich immer dabei: Sonne. Viel Sonne, die von morgens bis abends scheint und fröhliche Urlauber sowie dienstbeflissene Thais in ein goldenes Licht taucht.

Leider sieht unsere Realität anders aus. Wir sind seit sechs Tagen in der Region rund um Krabi unterwegs und es ist ein Wetter wie im Herbst auf Sylt, nur mit 28 Grad statt mit zehn. Doch anders als die Nordsee, die auf rauhes Klima vorbereitet ist, fällt der Süden Thailands in dieser Zeit in eine Art Starre. Die Hälfte aller Restaurants und Läden hat geschlossen, die meisten Boote fahren nicht und die einheimische Bevölkerung ist eigentlich nur mit zwei Dingen beschäftigt: Renovieren und abhängen. In den Hotels und an den Straßen wird gezimmert und gebaut was das Zeug hält und der Rest der Bewohner liegt oder hockt unter Dächern, in leeren Markständen oder halbfertigen Häusern und glotzt in den Regen. Dabei wirken sie ganz und gar nicht unglücklich, sie leben die Faulheit mit einer Überzeugung, die schon fast neidisch macht. Es gibt nichts zu tun? Dann tun wir einfach nichts. Daran kann man sich durchaus ein Beispiel nehmen.

Für den gemeinen Urlauber ist das allerdings nicht ganz so einfach, haben die Inseln doch vor allem die Tatsache gemein, dass alles recht langgezogen verteilt ist. Bei Sonnenschein und leichter Brise reicht ein Strandspaziergang oder eine kurze Rollerfahrt, um die interessanten Ziele zu erreichen. Bei meterhohen Wellen und wasserfallartigen Regenfällen ist die Romantik dieser Handlungen irgendwie verschwunden.

Und so sitzen wir im Hotelzimmer, betrachten nachdenklich die Tropfen, die die Scheiben hinunter rinnen und fragen uns, ob die Nordsee zu dieser Jahreszeit nicht vielleicht doch die bessere Wahl gewesen wäre…

Deutsche Sehnsucht

„Moin! Na, alles klar bei euch?“Wir sitzen auf der Insel Ko Lanta in der thailändischen Andamanensee, als uns diese fröhliche norddeutsche Begrüßung empfängt. Die Stimme gehört zu Ina, die gemeinsam mit ihrem Mann Horst seit sieben Jahren die erste und einzige deutsche Bäckerei der Insel betreibt. Nach 13 Jahren als Urlauber entschieden die beiden, dass es Zeit war für eine Veränderung. „Und wir haben uns gesagt, wenn wir uns schon verändern, dann richtig. Und wenn es weit weg sein soll, dann muss es hier sein“, sagt Ina. Die beiden Ostfriesen zogen mit Sack und Pack nach Thailand und ließen einen deutschen Bäcker einfliegen, der sie in die Kunst des Brotbackens unterwies. Jetzt backt Ina Roggenbrot, Weltmeisterbrötchen und Laugenstangen während Horst für das Süße verantwortlich ist: Minigugelhüpfe, Käse- und Maulwurfkuchen stammen aus seinen Händen. „Besonders dankbar sind viele Langzeiturlauber und Reisende, die schon länger unterwegs sind, aber für das dunkle Brot. Das ist eine typisch deutsche Sehnsucht“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Auch wenn sich die beiden hier längst zu Hause fühlen: Thai spricht Ina auch nach sieben Jahren in dem Land noch nicht. Ihre sozialen Kontakte finden sich ohnehin in der ausländischen Gemeinde auf Ko Lanta, die aus 140 rund Leuten besteht. „Da ist alles dabei, von Kanada bis Australien.“ Mit ihren ehemaligen Freunden aus Deutschland hat das Ehepaar kaum noch Kontakt. Die Entfernung ist sowohl geografisch als auch persönlich zu groß geworden. Dafür freut sich Ina jedes Jahr auf die Stammgäste, die regelmäßig in der Hauptsaison die Insel aus ihrem Regenschlaf wecken und die Holztische in ihrer gritzegrünen Bäckerei bevölkern.
Was sie an Deutschland vermisst? „Nicht viel, ehrlich gesagt. Manchmal lassen wir uns Milkaschokolade oder Heringe in Sahnesoße schicken. Aber als wir dieses Jahr zum ersten Mal nach vier Jahren wieder in Deutschland waren, erschien mir alles so unheimlich fremd“, sagt sie. Nur eine Sache fehlt ihr regelmäßig: Der friesische Nationalsport Boßeln.

Eine Liebeserklärung

Oh Angkor, du Wunderschöne, du Unglaubliche, steinern Prächtige, wuchtig Elegante!
Du hast uns verzaubert mit
deinen mächtigen Tempeln,
deinem dichten Dschungel
und den uralten Geschichten, die deine Wände erzählen.

Wenn das erste Sonnenlicht des Tages auf deine magischen Türme fällt und sie sich scharf gegen den Himmel abzeichnen, dann kann dir nichts und niemand etwas anhaben.
Keiner der hundert Fotoapparate, mit denen die Besucher tagtäglich versuchen, deine Magie einzufangen.
Keine der schnatternden Chinesengruppen, die durch deine heiligen Hallen spazieren.
Und kein einziger der Millionen Besucher, von denen jeder irgendwann in Anbetracht deiner Herrlichkeit verstummt.

Du stehst hier schon so lange, dass sich die Bäume Teile von dir zurückerobert haben. Und selbst das macht dich nur noch schöner.
Du hast unsere Herzen und Köpfe vollständig erobert.

Ein TukTuk, 30 Kilometer und zwei Staublungen

„Nein!!! Nicht der Müllwagen“, G. reißt panisch die Augen auf und fixiert den großen LKW, der seine intensiv duftende Ladung nur notdürftig mit einem Laken abgedeckt hat. Doch alles Hoffen hilft nicht und wenige Sekunden später befinden wir uns direkt hinter dem Gefährt, das selbst unseren hartgesottenen Fahrer leicht grün im Gesicht werden lässt. Wir befinden uns auf dem Weg zu den Killing Fields, einer Art kambodschanischem KZ, in dem während des Regimes der Roten Khmer mehrere hunderttausenden Kambodschaner den Tod fanden. Doch momentan sind unsere Gedanken nur hier, auf dieser viel befahrenen Straße, die uns raus aus der Hauptstadt Phnom Penh in die Provinz bringt. Klar, wir fahren das mit Tuktuk, macht doch jeder. Und die Atemmasken, die der Fahrer uns geben wollte, lehnten wir natürlich freundlich lächelnd ab. Wir sind doch kein Weichei-Touris! Jetzt bereuen wir diese Wahl. Das Reden haben wir bereits vor einer Viertelstunde aufgegeben, zu groß ist die Anzahl an mehr oder weniger großen Staubkörnern, die uns dabei in den Mund fliegen. Rechts und links von der Straße befinden sich zahlreiche Geschäfte, scheinbar blüht der Einzelhandel in diesem Land. Reifen, Drähte, Lebensmittel, Hühnerkäfige, Apotheken (und vielen Zahnkliniken, das scheint ein echtes Ding für die Einheimischen zu sein)…alles kriegt man direkt auf dem Tuktuk angeboten. Dementsprechend umkurvt unser Fahrer geschickt die vielen Mopeds, die bis zum Rand und darüber hinaus mit allen möglichen Waren beladen sind. Dieser Gleichgewichtssinn kann von uns nur (stumm) bestaunt werden. Langsam wird die Luft immer dicker, die Müllkippen sind ganz ohne Frage an den Rand der Stadt verlagert worden. Wir werden von einem Taxi überholt, das ein Touristenpärchen befördert. Sie winken freundlich, wir können unseren Mittelfinger gerade noch im Zaum halten. Die können ja auch nichts dafür. „Wir müssen doch bald da sein“, mutmaßt S. Schön wärs, stattdessen fahren wir jetzt auf ein Stück Straße, das sich „Under Construction“ befindet. Durch den Monsun, der in den letzten Nächte gefühlt mehrere hundert Liter Regen auf den Boden geschüttet hat, sind die aufgegrabenen Ränder der Fahrbahn komplett verschlammt, dadurch kämpfen sich vereinzelte Mopeds. Unser Fahrer guckt prüfend nach anderen Fahrmöglichkeiten, unsere Hände klammern sich krampfhaft an die kleinen Haltegriffe. Doch nein, er entscheidet sich dagegen. Ob das die beste Entscheidung war? Nur wenige Meter später stecken wir fest, ein Baggerfahrer hat beschlossen, dass er jetzt erstmal gemächlich über die Straße muss. Wie gesagt, der Müllwagen steht immer noch vor uns. „Meine Haare fühlen sich an, als ob eine zentimeterdicke Staubschicht draufliegt“, stellt G. nüchtern fest. S. überlegt derweil, wie lange sie den Atem wohl noch anhalten kann, ohne ohnmächtig aus dem Tuktuk zu kippen. Gibt es eigentlich eine wissenschaftliche Theorie darüber, warum in unangenehmen Situationen die Zeit so viel langsamer zu vergehen scheint? Der Blick schweift nach links, ein Mann kämpft sich mit seiner halben Familie auf einem Moped durch den Schlamm. Die alte Frau schenkt uns ihr schönstes zahnloses Lächeln und als ob es ein gutes Omen ist, biegen wir kurz darauf endlich von der Hauptstraße ab.