Everybody’s Darling

Einmal rund um die Welt, zwölf Stunden vor deutscher Zeit, eine andere Sprache, eine andere Ursprungskultur. Neuseeland…Land der deutschen Backpackerträume, Land der Berge, Regenwälder, Gletscher und Meer. Was hat das kleine Land im Pazifik an sich, dass der gemeine Deutsche sich hier so wohlzufühlen scheint? In kaum einem anderen Land, vor allem nicht in dieser Entfernung, hört man so häufig Deutsch in jeder noch so versteckten Ecke. Sie reisen nicht nur, viele von ihnen haben sich niedergelassen und betreiben Hostels und Restaurants oder haben ihre große Kiwi-Liebe gefunden.
Gut, bei einigen merkt man auch noch nach siebzehn Jahren Aufenthalt eine gewisse deutsche Mentalität. Im schönsten Sonnenuntergang kommt unser deutscher Hostelbetreiber schnaufend die Treppe hochgestapft. „Ich habe neue Gäste, die in euer Zimmer kommen. Aber die können ja keinen Fuß hinein setzen, überall liegt euer Zeug rum.“ Wir gucken ihn verblüfft an, haben wir doch nur ein paar Hosen zum Trocknen aufgehängt. Sollten die sich vermehrt und von selbst verteilt haben? Hinter ihm kommen die besagten Gäste peinlich berührt hinterher geeilt. Sie stören sich nicht an den Sachen, sondern möchten wissen, auf welchen Betten wir schlafen wollen. A. erhebt sich dienstbeflissen, um zur Hilfe zu eilen. Hostelkönig Lutz (kann ein Name deutscher sein?) ist das nicht genug, er möchte seinen Standpunkt nochmal ausdrücklich klarmachen. „Die haben schließlich bezahlt, die möchten auch ein Bett.“ Jaha, wir haben es ja verstanden…
Aber von solchen Sonderfällen einmal abgesehen scheinen die Deutschen die neuseeländische Mentalität sehr schnell und gründlich zu antizipieren. Manch einem fällt die entspannte Lebensweise freilich etwas zu leicht. Wir machen die Bekanntschaft mit F., der für ein Jahr mit einem Work&Travel Visum durchs Land reist. „Ach ja, ich habe die ersten zwei Monate Früchte gepflückt, aber das war mir dann zu anstrengend. Überhaupt ist Arbeiten irgendwie nicht das Richtige für mich, ich bin davon einfach gestresst.“ Jetzt schlunzt er sich von Herberge zu Herberge und erstaunt mit langen Filmsessions an den herrlichsten Sonnentagen.
Aber Neuseeland scheint irgendwie der richtige Platz für jeden einzelnen zu sein, egal ob Deutsch oder irgendeine andere Nationalität. Ruhesuchende, Abenteuersüchtige, Wanderer, Reiter, Schwimmer, Surfer, Chiller: Sie alle werden mit stoischer Gelassenheit betrachtet und mit passenden Angeboten versorgt. Es vermittelt ein Gefühl von Freiheit und Akzeptanz und das ohne die teilweise aufgesetzt wirkende anglo-amerikanische Freundlichkeit, die die Nordlichter unter uns oft verunsichert. Der gemeine Neuseeländer kann durchaus auch mal einen raueren Tonfall anschlagen, wenn er sich im Gespräch gestört fühlt, Kunde hin oder her.
Vielleicht hängt alles eng mit der Natur zusammen. Hier findet sich auf kleinstem Raum Landschaften, die in anderen Ländern mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt sind und die viel zitierten „Vier Jahreszeiten an einem Tag“ sind nicht übertrieben. Wenn man sich hier ohnehin permanent auf alles einstellen muss, dann fallen die Holländer, Iren, Chinesen und Deutschen mit ihrem Mangel an Wissen zum Linksverkehr, den Fotoposen in der Gletscherspalte, den Skydives aus fünf Kilometern Höhe und dem ein oder anderen Saufgelage nicht weiter ins Gewicht. Wer ohne mit der Wimper zu zucken dicke Daunenjacken mit FlipFlops kombiniert, der ist einfach nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen.

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