Eine Fahrt nach Sapa, die ist lustig

Reisende: G. und S. Bebenroth
Strecke: Von Hanoi nach Sapa, eine ehemalige französische Bergstation im Norden Vietnams

18:45: Start aus der Altstadt von Hanoi. Wir nehmen gemeinsam mit einem neuseeländischen Pärchen ein Taxi, die bereits vor einigen Tagen mit dem Zug nach Sapa fuhren. Wie auch der Lonely Planet beschwören sie uns, dass wir nicht zum Haupteingang des Bahnhofs müssen, sondern zu einer Extrawartehalle.

19:00 Ankunft am Bahnhof. Der Taxifahrer will uns alle aus dem Wagen haben, wir versuchen ihm zu vermitteln, dass wir doch aber nach Sapa müssen. Er schreit: „Sapa, Sapa!“ und gestikuliert wild Richtung Bahnhofshalle. Die Neuseeländerin fühlt sich veräppelt und beginnt ihrerseits zu schreien: „No! We know where they have to go.“ Wir stehen mit betretenen Gesichtern daneben und zerren schließlich unsere Rucksäcke aus dem Kofferraum.

19:05 Nachdem uns ein vietnamesischer Ordner ebenfalls versichert hat, dass wir uns in der richtigen Halle befinden, betreten wir den überfüllten Warteraum. Nach kurzer Beratung steuern wir auf zwei kompetent aussehende Vietnamesinnen in blauen Kleidern zu, die offensichtlich eine offizielle Funktion haben. Kurz bevor wir sie erreichen, nähert sich von rechts ein hagerer Vietnamese, der in einem Hollywoodstreifen ohne Probleme die Rolle des zwielichten Bösewichts einnehmen könnte. Mit seinen langen Fingernägeln fordert er nachdrücklich: „Ticket!“ OK, hier sind die Tickets. Er schubst uns zu einem kleinen Tresen, auf dem das Wort Livitrans steht. Immerhin die Gesellschaft, die unsere Tickets ausgestellt hat, kann also nicht ganz falsch sein. Ein anderer Wartender nimmt freundlicherweise seine nackten Füße von den Sitzen und wir lassen uns nieder.

19:15
S: „Soll ich nicht lieber nochmal andere Touristen fragen? Ich traue dem Frieden nicht.“ Mit G.s Zustimmung schleiche ich mich an zwei Engländerinnen heran, doch leider haben die ein ganz anderes Ziel. Dann: Auftritt Engel von Sapa. Khan, eine gebürtige Vietnamesin, die jedoch in den USA aufgewachsen ist, nimmt sich unserer an. Wir sollen einfach sitzen bleiben, sie fährt ebenfalls nach Sapa und sagt uns Bescheid, wenn es los geht.

19:45
Ein geheimes vietnamesisches Signal muss erfolgt sein, denn plötzlich springen Khan und ihre Freundin auf; der Zug ist da. Wir folgen ihr auf den Bahnsteig, als der gruselige Fingernagelmann kommt und abermals unsere Tickets sehen will. Er wirft einen Blick drauf und schreit uns aus voller Kehle auf Vietnamesisch an. Wir starren ihn wiederum mit schreckgeweiteten Augen an, als plötzlich wieder unsere Neuseeländerin vor uns steht. „Is everything alright?“ Naja, nicht so richtig. Es stellt sich schließlich raus, dass wir nur Gutscheine für den Zug haben, unsere richtigen Tickets aber noch holen müssen. Wir tapern zurück in die Wartehalle, der Umtausch klappt dann doch recht flott.

19:55
Wir marschieren Richtung Zug. S: „Bei unserem Glück heute teilen wir das Abteil mit zwei schnarchenden vietnamesischen Männern.“ Wir betreten den Zug und G. wirft einen Blick in das Abteil: „Das glaubst du jetzt nicht.“ Zwei grinsende Vietnamesen sitzen auf den unteren Betten, unser hysterischer Lachanfall ist nur noch ein paar Zehntelsekunden entfernt.

20:20
Der Zug fährt ab. „whejrjkw akdaa joyu formg?“ Ähm, excuse me? „EHrjh are doau from?“ Ah, Germany. Naja, damit können sie nicht so wirklich was anfangen, deswegen bleibt es bei diesem kurzen Informationsaustausch.

21:00
Zeit, unsere Vorurteile zu begraben. Wir verstehen unsere Mitreisenden zwar nicht, aber sie sind sehr ruhig und auch wenn einer von ihnen die erste Stunde nur telefoniert, reicht ein kurzes Fingerschnipsen, um ihn erst senkrecht im Abteil stehen zu lassen, dann aber für ein Abschalten des Telefons zu sorgen

06:00 nächster Tag
Die Nacht war überraschend erholsam. Bei der Ankunft am Bahnhof von Sapa empfängt uns die lokale Bevölkerung mit offenen Armen. „Minibus? Sapa? Minibus, Minibus?“ Hatte die US-Vietnamesin nicht gesagt, wir sollen nicht mit den Minibussen fahren, weil die zu teuer sind? Wir marschieren über den Bahnsteig, da steht sie plötzlich: „Follow me.“ Nichts lieber als das, wir ignorieren die zahlreichen Angebote (mittlerweile sind auch noch Bananen und Getränke hinzugekommen) und folgen Khan wie zwei Lämmchen ihrem Mutterschaf.

06:30
Wir sitzen in einem der gelben Busse, die von der Regierung betrieben werden, die Rucksäcke sind verstaut, jetzt kann es losgehen.

06:35
In der fünften Kurve kommt Leben in die Frau links neben mir. „HUAHAHAHHGGGGGG“ Wir haben selten jemanden so laut und mit Inbrunst kotzen sehen (und hören). G. (fassungslos): „Das glaube ich jetzt nicht.“

06:40
Kurve Nummer 10: Direkt hinter G. raschelt eine Tüte, dann ein wohlvertrautes Geräusch: „HUAHAHAHGGGGGGG“ Die nächste Vietnamesin, die wohl ein paar Probleme mit dem Autofahren hat. S. muss sich konzentrieren, um nicht allzu solidarisch zu werden.

07:00
Ausgestattet mit Ohropax und Decken vor der Nase, besteht die größte Angst darin, dass sich eine der zahlreichen Tüten öffnet, die die Ladies mittlerweile angesammelt haben.
S.: „Die können doch mittlerweile nichts mehr in sich haben.“

07:01
Sie belehren uns eines Besseren. „HUAHHHHAGGGGGGG“, „HUAAAAAHHHHHGGGG“. Wir schrauben uns im Kanon der Kotzigkeit immer weiter den Berg hinauf.

07:30
Ankunft in Sapa. Ekel und Müdigkeit sind eine schwierige Kombination, aber auf uns wartet noch eine schöne Überraschung. Auf dem Weg von der Bustür zum hinteren Kofferraum sind wir plötzlich von mindestens zwanzig Einheimischen umgeben. Ein paar preisen ihre Hotels an, doch der Großteil besteht aus Hmong-Frauen in der typisch schwarz-bunten Kluft der in Sapa heimischen ethnischen Minderheit. Fröhlich halten sie uns bestickte Täschchen und Ketten unter die Nase. „Shopping? Shopping?“ Oh ja, klar. Nichts lieber als das. Wir ziehen uns noch kurz unsere schweren Rücksäcke auf, dann macht es gleich noch viel mehr Spaß.

07:32
Wir verfallen wieder in unseren Lämmermodus und folgen Khan in ihr Hotel. Gemütliche Polsterbänke, kompakte Holztische und ein sauberes Doppelzimmer für nur 20 Dollar pro Nacht. Gott sei Dank (der Ausruf passt tatsächlich, denn Khan ist, wie sich später herausstellt, Missionarin). Jetzt aber: Hallo Sapa!

 

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